Wichtigste Erkenntnisse:
- ESG hat sich von der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) zu einem umfassenden Framework rund um Umweltauswirkungen, gesellschaftliche Verantwortung und Governance entwickelt. Dieses ist erforderlich, damit moderne Unternehmen gesetzliche Vorgaben und die Erwartungen von Investor:innen erfüllen können.
- Ein erheblicher Teil des CO2-Profils von Unternehmen, mitunter 80 bis 90 %, entfällt auf die jeweilige Lieferkette. Daher müssen Unternehmen ESG-Kriterien unbedingt konsequent in der gesamten Lieferkette anwenden. Nur so lassen sich Compliance erreichen und die Anforderungen sogar übertreffen.
- Voraussetzung für den effektiven Umgang mit den Umweltauswirkungen von Unternehmen sowie deren Reduzierung ist das Verständnis wichtiger ESG-Begriffe wie Wesentlichkeit oder Treibhausgase sowie das Verständnis der Unterschiede zwischen Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen.
- Vorschriften weltweit und der Investorenschwerpunkt auf Nachhaltigkeit veranlassen Unternehmen zur Einführung strikterer ESG-Praktiken, insbesondere hinsichtlich der Bekämpfung von Zwangsarbeit und der Senkung von Treibhausgasemissionen, damit in der gesamten Lieferkette Compliance und ethisch einwandfreie Betriebsabläufe gewährleistet sind.
- Nachhaltige und ethisch einwandfreie Geschäftspraktiken zahlen sich auch durch eine erhebliche Steigerung der Betriebseffizienz und Kosteneinsparungen bei Unternehmen aus – von Energieeffizienz bis hin zu höherer Produktivität u. v. m.
Einleitung
Bei ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) handelt es sich um einen Rahmen, der sich ausgehend von der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) zu einem integralen Bestandteil moderner Geschäftspraktiken entwickelt hat. ESG nimmt die Umweltauswirkungen, die soziale Verantwortung und die Governance-Strukturen von Unternehmen in den Blick.
Soziale und philanthropische Initiativen gibt es in der Wirtschaft zwar bereits seit Langem, trotzdem sind ESG und Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren aus mehreren Gründen verstärkt in den Blickpunkt gerückt:
- Verschiedene Vorschriften weltweit haben Unternehmen vor neue Anforderungen gestellt. Weitere legislative Maßnahmen sind zu erwarten.
- Zahlreiche Investor:innen, Stakeholder:innen und Kund:innen erwarten, dass Unternehmen ESG beim Kampf gegen den Klimawandel und der Wahrung universeller Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen.
- Nachhaltige Praktiken sind geschäftlich sinnvoll und steigern langfristig die Betriebseffizienz.
- Umweltschutz, Geschäftsethik und der Schutz von Beschäftigten sind für die Nachhaltigkeit von Unternehmen auf hochgradig dynamischen Märkten unerlässlich.
Eine weit verbreitete Fehlannahme besagt, dass ESG-Praktiken teuer sind und nur einen geringen ROI liefern. Dies hat weitreichende Skepsis gegenüber der Notwendigkeit solcher Geschäftspraktiken zur Folge. Betrachten Unternehmen ESG als Investition, ist jedoch das Gegenteil der Fall. Beispielsweise sind die Senkung von Emissionen und die Einführung erneuerbarer Energiequellen zunächst mit Kosten verbunden. Diese Investitionen machen sich jedoch mittelfristig durch die Senkung der Betriebskosten und die Verbesserung der Reputation des Unternehmens bezahlt.
Wo kommt hierbei die Lieferkette ins Spiel? Damit Unternehmen Vorschriften, Richtlinien und Erwartungen in Bezug auf ESG erfüllen können, müssen sie sicherstellen, dass diese in der gesamten Lieferkette ebenso rigoros umgesetzt werden wie in den Unternehmen selbst. So entstehen beispielsweise 80 bis 90 % des CO2-Profils eines Unternehmens in seiner Lieferkette.
Außerdem ist zu beachten, dass ESG nicht nur für große Unternehmen von Bedeutung ist. Unternehmen jeder Größe profitieren von ESG-Praktiken, da sich mit diesen u. a. neue Märkte erschließen, Investoren anziehen sowie die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten decken lassen.
Dieser Blog-Beitrag liefert einen kurzen Überblick über die Geschichte des Bereichs ESG, wichtige Begriffe, Risiken und neue Trends. Die nächsten Beiträge gehen näher auf ESG-Risiken in der Lieferkette und Best Practices für das Risikomanagement in diesem Bereich ein.
Eine kurze Geschichte des Bereichs ESG
Die Prinzipien hinter ESG sind nicht neu. Sie haben sich aus den älteren CSR-Praktiken entwickelt. Beispielweise gab es in Unternehmen wie Cadbury und Unilever bereits Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Praktiken, die heute dem Bereich ESG zugerechnet würden. Diese Unternehmen hatten die Bedeutung der Verbesserung der Lebensqualität ihrer Beschäftigten sowie die des Umweltschutzes erkannt.
Der Begriff „ESG“ selbst ist jedoch in wesentlich jüngerer Zeit im Zusammenhang damit entstanden, dass Unternehmen und Investor:innen die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Gesellschaft und Umwelt auf breiterer Ebene ebenso berücksichtigen wollten wie in umgekehrter Perspektive die Risiken, die sich aus gesellschaftlichen und ökologischen Faktoren für die Stabilität des Unternehmens ergeben. CSR war häufig freiwillig. ESG ist für Unternehmen dagegen jedoch zunehmend verpflichtend. Die Ursache hierfür sind gesetzliche Anforderungen und die Erwartungen der Investor:innen.
Im Gegensatz zur häufig auf Einzelinitiativen konzentrierten CSR handelt es sich bei ESG um ein umfassendes Konzept, das weiter gefasste Anliegen in Bezug auf Umwelt, Gesellschaft und Governance auf betrieblicher Ebene einbezieht. Die Weiterentwicklung von CSR zu ESG verlagert den Fokus auf strukturiertere messbare Praktiken, die nun in mehrfacher Hinsicht entscheidend für den Erfolg von Unternehmen sind.
Neben der Einwerbung von Investitionen, der Erfüllung von Compliance-Anforderungen und der Verbesserung der Unternehmensreputation kann ESG auch der Steigerung der Betriebseffizienz und der Kostensenkung dienen. Zahlreiche Unternehmen haben erkannt, dass nachhaltige und ethische Betriebsführung einen erheblichen positiven Einfluss auf den Gewinn haben kann. Beispielsweise verringert die Optimierung des Ressourceneinsatzes und die Nutzung erneuerbarer Energien das Abfallaufkommen und erhöht zugleich die Energieeffizienz. Beides trägt zur Senkung der Betriebskosten bei. Arbeitskosten und Effizienz sind weitere Beispiele: Fair behandelte Beschäftigte sind in der Regel produktiver und bleiben länger im Unternehmen. Außerdem ist es für Unternehmen dadurch einfacher, rare Fachkräfte anzuwerben und zu halten.
Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit ESG
Die im Zusammenhang mit ESG verwendeten Begriffe sind häufig verwirrend, da es bei einigen davon sowohl Überschneidungen als auch wichtige Unterschiede gibt.
- ESG: Diese Abkürzung steht für „Environmental, Social and Governance“ (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und bezeichnet eine Reihe von Standards und Praktiken in Bezug auf die ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Unternehmen vor Ort bzw. auf globaler Ebene. Der Begriff wird hauptsächlich von Investor:innen zur Einschätzung der Risiken im Zusammenhang mit Unternehmen sowie von deren Wert verwendet.
- Nachhaltigkeit: Die Begriffe „ESG“ und „Nachhaltigkeit“ werden häufig synonym verwendet. Es gibt jedoch einen wichtigen Unterschied. Nachhaltigkeit bedeutet in Bezug auf Unternehmen, negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft so gering wie möglich zu halten. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei ESG um ein breiteres Konzept, zu dem nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch weitere Kriterien gehören, die Unternehmen zur Entwicklung von Richtlinien und für die Performancemessung anwenden.
- Governance: Das System von Regeln, Verfahren und Prozessen, durch die ein Unternehmen geleitet und kontrolliert wird. Hierzu zählen auch die Mechanismen, die die Rechenschaftspflicht des Unternehmens gegenüber Stakeholder:innen wie Aktionär:innen, Mitarbeitenden, Kund:innen und der breiteren Öffentlichkeit sicherstellen.
- Soziales: Beim sozialen bzw. gesellschaftlichen Aspekt von ESG geht es um die Beziehung von Unternehmen zu ihren Mitarbeitenden, Lieferanten, Kund:innen und Standortgemeinden. Hierbei stehen die Auswirkungen von Unternehmen auf die Gesellschaft und die ethischen Standards im Mittelpunkt, die sie im Umgang mit Menschen einhalten.
- Wesentlichkeit: Der Begriff Wesentlichkeit verweist auf ESG-Angelegenheiten, die für Unternehmen und Stakeholder:innen von hoher Bedeutung sind. Hierbei werden sowohl die finanziellen Auswirkungen auf Unternehmen als auch die weiter reichenden sozialen und ökologischen Folgen berücksichtigt. Die Wesentlichkeit dient Unternehmen zur Priorisierung von ESG-Programmen sowie entsprechenden Investitionen in Bezug auf maximale Wirkung und Risikominderung.
- Treibhausgase: Treibhausgase sind Gase wie Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid, die zur globalen Erwärmung beitragen und bedeutsam für die Bewertung von Umweltrisiken sind. Es ist wichtig zu beachten, das die Begriffe CO2-Profil und Treibhausgase häufig synonym verwendet werden. Zu den Treibhausgagen gehört jedoch mehr als nur CO2. Unternehmen jeder Größe produzieren Treibhausgase, hauptsächlich durch die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas. Die Gesetzgebung konzentriert sich in erster Linie auf Kohlenstoff. Aufgrund seines hohen Treibhauspotenzials rückt jedoch auch Methan zunehmend in den Fokus.
- Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen: Treibhausgasemissionen von Unternehmen können bei der Bewertung in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt werden:
- Scope-1-Emissionen sind Emissionen, die Unternehmen direkt an ihren Standorten produzieren.
- Scope-2-Emissionen sind indirekte Emissionen im Zusammenhang mit Strom und Energieträgern, die Unternehmen einkaufen.
- Scope-3-Emissionen sind alle anderen indirekten Treibhausgasquellen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit von Unternehmen, die größtenteils in der erweiterten Lieferkette des Unternehmens erzeugt werden (beispielsweise durch erworbene Waren und Dienstleistungen). Scope-3-Emissionen sind für das Verständnis der Auswirkungen der Lieferkette auf den ökologischen Fußabdruck von Unternehmen besonders wichtig. Sie stehen im Mittelpunkt zahlreicher Vorschriften.
Liste der wichtigsten ESG-Risiken in der Lieferkette
- Umweltrisiken:
- CO2-Profil der erweiterten Lieferkette
- Umweltauswirkungen der weltweiten Materialbeschaffung
- Mögliche Schäden an natürlichen Ökosystemen durch Tätigkeiten in der Lieferkette
- Compliance in Bezug auf Umweltschutzstandards und entsprechende Vorschriften
- Gesellschaftliche Risiken:
- Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Kinderarbeit und schlechter Arbeitsbedingungen
- Arbeitsrechtliche Belange, beispielsweise gerechte Löhne und sichere Arbeitsumgebungen
- Gesellschaftliche Auswirkungen und soziale Verantwortung bei der Beschaffung
- Governance-Risiken:
- Korruption und Bestechung in der Lieferkette
- Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Geschäftstätigkeit
- Rechtskonformität und Compliance mit Standards und Vorschriften weltweit
Aktuelle Trends und neue Vorschriften
Aktuelle Trends zeigen, dass ESG aufgrund des höheren Bewusstseins in Bezug auf nachhaltige Geschäftspraktiken sowie aufgrund der entsprechenden Nachfrage an Bedeutung gewinnt. ESG gilt heute für multinationale Gesellschaften als ebenso wesentlich wie für Kleinunternehmen. Außerdem wird weltweit in erheblichem Umfang in die Senkung von Emissionen sowie in die Vorbereitung auf die Folgen des Klimawandels investiert, was für Unternehmen auf der Suche nach Kapitalgeber:innen mittlerweile von entscheidender Bedeutung ist.
Das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung, das die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Mensch, Planet und Betriebsergebnis berücksichtigt, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Unternehmen erkennen, dass Nachhaltigkeit nicht nur dem Umweltschutz dient, sondern zudem Werte für Stakeholder:innen generiert. Diese entstehen unter anderem durch Energieeffizienz, Abfallreduzierung, Senkung der Materialkosten, Verringerung der Betriebsunterbrechungen, höhere Produktivität der Belegschaft sowie höhere Zuverlässigkeit der Lieferkette.
Darüber hinaus drängen neue Vorschriften, insbesondere in Bezug auf Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Treibhausgasemissionen, Unternehmen zur Anwendung strikterer ESG-Praktiken. Die Entwicklung der Gesetzgebung prägt die Zukunft von ESG. Besonders deutlich zeigt sich das vor dem Hintergrund der Zunahme von Zwangsarbeit aufgrund von Arbeitskräftemangel, der durch den Klimawandel und soziopolitische Veränderungen in Folge der Pandemie noch verschärft wird. Neue und strengere Gesetze gegen moderne Sklaverei in Ländern wie Kanada, Australien und Frankreich nehmen Unternehmen in die Verantwortung für deren gesamte Lieferkette und verlangen, dass diese überprüft wird. Darüber hinaus rücken Treibhausgasemissionen, Abfallreduzierung und die Berichterstattung über CO2-Emissionen immer weiter in den Fokus, wodurch die Kreislaufwirtschaft an Bedeutung gewinnt.
Diese Vorschriften beschränken sich nicht nur auf den Betrieb vor Ort, sondern betreffen auch globale Lieferketten, was die Bedeutung der Compliance noch weiter erhöht, während diese zugleich schwerer zu erreichen wird. Unternehmen werden verstärkt daran gemessen, ob ihre Tätigkeit nicht nur rechtskonform, sondern auch ethisch einwandfrei ist.
Fazit
Die Berücksichtigung von ESG in Bezug auf die Lieferkette ist nicht länger optional, sondern eine geschäftliche Notwendigkeit. Vor dem Hintergrund des weltweit zunehmenden Bewusstseins für ökologische und soziale Fragen, müssen Unternehmen dafür Sorge tragen, dass ihre Lieferketten nicht nur effizient, sondern auch nachhaltig und ethisch einwandfrei sind. Die gute Nachricht ist, dass dieser Wandel Unternehmen belohnt, die mit ihrem Engagement dem Wettbewerb voraus sind. Die Einführung von ESG-Praktiken trägt zu Gewinnsteigerung und Risikominderung ebenso bei wie zur Verbesserung der Reputation sowie zur langfristigen Wertschöpfung für alle Stakeholder:innen.
Der nächste Beitrag geht näher auf ESG-Risiken ein, die sich unter Umständen in Ihrer Lieferkette verbergen.






