Wichtigste Erkenntnisse:
- Risiken im Zusammenhang mit ESG in der Lieferkette können erhebliche Folgen für Unternehmen haben, beispielsweise Rufschädigung, rechtliche Probleme und finanzielle Verluste wie die Kündigung laufender Verträge oder das Nichtzustandekommen neuer Verträge in der Zukunft.
- Ohne belastbare Strategie für das ESG-Risikomanagement lassen sich viele dieser tief in erweiterten Lieferketten verborgenen Risiken kaum ausmachen.
- Verbraucher:innen und Investor:innen zeigen bei ESG-Verstößen heute wesentlich weniger Nachsicht und erwarten von allen Mitgliedern der Wertschöpfungskette verantwortungsbewusstes und ethisch einwandfreies Verhalten.
- Lieferanten und Auftragnehmer müssen sich der ESG-Risiken ebenfalls bewusst sein, damit ihnen keine Geschäftschancen entgehen und sie ihren Wettbewerbsvorteil behalten.
Einleitung
Die Bedeutung von Faktoren im Zusammenhang mit ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) bei Geschäftsabläufen ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Dies war bereits in einem unserer früheren Blog-Beiträge Thema. Unternehmen werden in zunehmenden Maße nicht nur für das eigene Handeln, sondern auch für das ihrer Lieferanten und Auftragnehmer verantwortlich gemacht.
Mit diesem Wandel ist die Lieferkette ein entscheidender Schwerpunkt im Bereich ESG-Risikomanagement geworden, da die Nichtbeachtung dieser Risiken für alle Beteiligten erhebliche Folgen nach sich ziehen kann. ESG-Risiken haben mitunter tiefgreifende Auswirkungen auf das auftraggebende Unternehmen, können jedoch auch Lieferanten und Auftragnehmer betreffen. Das Verständnis dieser Risiken und eine proaktive Herangehensweise an diese sind für alle beteiligten Parteien von herausragender Bedeutung.
Dieser Beitrag behandelt spezifische ESG-Risiken innerhalb der Lieferkette, die Auswirkungen auf auftraggebende Unternehmen sowie auf Auftragnehmer/Lieferanten und einige Beispiele aus der Praxis. Im nächsten Beitrag dreht sich alles um das Management und die Minderung dieser Risiken.
Zusammenfassung der wichtigsten ESG-Risiken in der Lieferkette
ESG umfasst mehrere Risiken in Bezug auf Umwelt, Gesellschaft und Governance. Diese stellen mitunter Herausforderungen dar und können schwerwiegende Folgen für auftraggebende Unternehmen haben. So besorgniserregend sind diese Risiken unter anderem, da sie ohne ein umfassendes Risikomanagement- und Due-Diligence-Programm schwer zu ermitteln sind.
Nachfolgend sind die wichtigsten ESG-Risiken, die sich aus der Lieferkette ergeben können, sowie Beispiele für die Folgen ausgeführt.
Umweltrisiken
- Emissionen von Lieferanten und Auftragnehmern, die 80–90 % der Gesamtklimabilanz eines Unternehmens ausmachen können
- Mögliche Schäden an natürlichen Ökosystemen durch Materialbeschaffung und andere Tätigkeiten in der Lieferkette, insbesondere durch nicht nachhaltige Praktiken bei Auftragnehmern
- Verstöße gegen Umweltschutzvorschriften und -standards
BEISPIEL: Die Deepwater-Horizon-Katastrophe, die 2010 eine massive Ölpest im Golf von Mexiko zur Folge hatte, zog enorme Folgen für BP als Auftraggeber nach sich, darunter eine erhebliche Rufschädigung sowie hohe Kosten im Zusammenhang mit straf- und zivilrechtlichen Verfahren.
Gesellschaftliche Risiken
- Zwangs- und Kinderarbeit, die in den letzten Jahren durch den weltweiten Arbeitskräftemangel selbst in den Industrieländern zugenommen hat
- Weitere Angelegenheiten im Zusammenhang mit Menschenrechten und Arbeitsrecht, beispielsweise gerechte Löhne und sichere Arbeitsbedingungen
- Gesellschaftliche Auswirkungen und soziale Verantwortung bei der Materialbeschaffung
- Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz
BEISPIEL: 2013 kam es in Bangladesch zum Einsturz eines Gebäudes, in dem mehrere Bekleidungsfabriken untergebracht waren. Über 1.100 Beschäftigte kamen dabei ums Leben. Dem Gebäudeeigentümer waren die Sicherheitsmängel bekannt. Trotzdem drohte er, Beschäftigten den Lohn vorzuenthalten, sollten diese die Weiterarbeit verweigern. Da die Fabriken für mehrere große Modemarken tätig waren, löste die Katastrophe einen weltweiten Aufschrei hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsbranche aus.
Governance-Risiken
- Korruption und Bestechung in der Lieferkette
- Mangelnde Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Geschäftstätigkeit
- Mangelnde Rechtskonformität und Compliance mit Standards und Vorschriften weltweit
BEISPIEL: Der Petrobras-Skandal in Brasilien liefert ein Beispiel für die verheerenden Auswirkungen von Bestechung und Korruption in der Lieferkette. Durch Schmiergeldzahlungen von Auftragnehmern an Führungskräfte von Petrobras kam es zu überhöhten Vertragspreisen und Milliardenverlusten. Die Beteiligung des auftraggebenden Unternehmens an Korruption hatte rechtliche Schritte und massive Geldstrafen zur Folge. Zudem brachen der Aktienkurs sowie das Vertrauen der Anleger ein und der Ruf des Unternehmens nahm weltweit Schaden.
Auswirkungen von ESG-Risiken auf das auftraggebende Unternehmen
Die obigen Beispiele legen nahe, dass das Verhalten eines einzigen Auftragnehmers oder Lieferanten weitreichende Folgen für die Unternehmen an der Spitze der Lieferkette haben kann.
Rufschädigung
Die unmittelbarste und offensichtlichste Folge von ESG-Vorfällen ist häufig Rufschädigung. Nachrichten über unethische Praktiken oder Umweltverstöße von Lieferanten können sich rasch verbreiten und die öffentliche Wahrnehmung des auftraggebenden Unternehmens beeinträchtigen. Dies kann mit dem Verlust von Kundenvertrauen, Boykotten und einem erheblichen Imageschaden für das Unternehmen einhergehen. Unter Umständen entgehen dem Unternehmen dadurch Kredite und Investitionen, da ESG-Faktoren auch bei finanziellen Bewertungen zunehmend eine Rolle spielen.
Nichteinhaltung von Vorschriften
Regulatorische Compliance ist ein weiterer wichtiger Bereich, in dem sich ESG-Risiken manifestieren können. Weltweit werden strengere gesetzliche Vorschriften in Bezug auf Umweltstandards, Arbeitspraktiken und Unternehmensführung erlassen. Unternehmen, die gegen diese Vorschriften verstoßen, müssen mit rechtlichen Konsequenzen wie Geldbußen, Strafen, Projektverzögerungen und teuren Rechtsstreitigkeiten rechnen. Weltweit gibt es Gesetze, nach denen das auftraggebende Unternehmen selbst dann haftbar gemacht werden kann, wenn es keine Kenntnis von den illegalen Praktiken eines Lieferanten hatte.
Finanzielle Folgen
ESG-Risiken können auch erhebliche finanzielle Folgen haben. Mangelhafte Umweltpraktiken von Lieferanten können Verwerfungen in der Lieferkette verursachen, beispielsweise durch die Erschöpfung natürlicher Ressourcen oder die Schädigung von für die Produktion unerlässlichen Ökosystemen. Auch gesellschaftliche Angelegenheiten wie Streiks oder unzureichende Arbeitsbedingungen können zu einem öffentlichen Aufschrei und Projektverzögerungen führen. Solche Verwerfungen erhöhen die Betriebskosten, beeinträchtigen die Produktverfügbarkeit und schmälern den Unternehmensgewinn.
BEISPIEL: 2015 fand sich Nestlé ungewollt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, nachdem eine Untersuchung ergeben hatte, dass in seiner Lieferkette für Meeresfrüchte in Thailand Zwangsarbeit und Menschenhandel üblich waren. Nach den Enthüllungen sah sich Nestlé mit Prozessen, behördlicher Kontrolle, Kundenabwanderung und erheblichen Reputationsschäden konfrontiert.
Die Erfahrung von Nestlé unterstreicht, warum Lieferanten gründlich überprüft und überwacht werden müssen, um die Compliance in Bezug auf ethische Standards zu gewährleisten und rechtliche Konsequenzen sowie Rufschädigung zu vermeiden.
Warum ESG für Auftragnehmer und Lieferanten von Bedeutung ist
Die wachsende Bedeutung von ESG bleibt auch für Lieferanten und Auftragnehmer nicht ohne Folgen. Tatsächlich ist deren ESG-Performance zunehmend entscheidend für die Beziehung zu den auftraggebenden Unternehmen. ESG verspricht Geschäftskontinuität und Marktzugang. Das sind die wichtigsten Gründe, aus denen sich Lieferanten diesem Thema widmen sollten. Mehr und mehr Unternehmen räumen ESG im Beschaffungsprozess Priorität ein. Lieferanten, die die geforderten Standards nicht erfüllen, setzen sich dem Risiko aus, Verträge oder neue Geschäftschancen zu verlieren.
Ein weiterer überzeugender Grund ist der Wettbewerbsvorteil. Lieferanten mit nachhaltigen Praktiken, die sich zudem im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Anliegen und Governance engagieren, haben bessere Chancen bei der Gewinnung und Bindung von Auftraggebern. Sie zeichnen sich auf dem Markt nicht nur durch wettbewerbsfähige Preise, sondern auch als zuverlässige Partner aus, deren Ausrichtung den Werten und langfristigen Zielen des auftraggebenden Unternehmens entspricht.
Des Weiteren bringen ESG-Initiativen, wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, finanzielle Vorteile mit sich. Beispielsweise tragen energieeffiziente Prozesse und Abfallvermeidung zur Senkung der Betriebskosten bei. Robuste Governance-Praktiken begrenzen das Risiko von Betrug, Korruption und rechtlichen Problemen auf ein Minimum und sichern damit die finanzielle Gesundheit des Lieferanten. Zudem erhalten Lieferanten mit herausragender ESG-Performance leichter Zugang zu Finanzmitteln, da Investor:innen solche Unternehmen zunehmend bevorzugen.
Fazit
Das Verständnis von ESG-Risiken in der Lieferkette sowie deren Bewältigung ist sowohl für auftraggebende Unternehmen als auch für deren Lieferanten entscheidend. Vorfälle im Zusammenhang mit ESG können, wie dargestellt, schwerwiegende Rufschädigung, Nichteinhaltung von Vorschriften und erhebliche finanzielle Konsequenzen für auftraggebende Unternehmen nach sich ziehen.
Auch Lieferanten und Auftragnehmer müssen sich der wachsenden Bedeutung von ESG bewusst werden, da die Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen und Wettbewerbsvorteilen zunehmend von der Einhaltung dieser Standards abhängt. Unternehmen können Risiken mindern, Partnerschaften stärken und die langfristige Nachhaltigkeit ihrer Tätigkeit gewährleisten, indem sie ESG-Praktiken in den Mittelpunkt stellen.
Unser nächster Beitrag behandelt Best Practices für das Management dieser ESG-Risiken innerhalb der Lieferkette, damit sowohl auftraggebende Unternehmen als auch Auftragnehmer von umweltbewussten, ethisch einwandfreien Geschäftspraktiken profitieren, die Verwerfungen im Betrieb verhindern.





